Gomorrah


Rücksprung zum Hauptmenü
Rücksprung zum Submenü Gesamtvorhaben
Rücksprung zum Submenü Einzeloperationen

Unternehmen „Gomorrah“

Rahmenbedingungen und Vorgeschichte

Die nachfolgenden, kursiv gehaltenen Ausführungen sind auszugsweise entnommen:

BPB: Bundeszentrale für politische Bildung
Aus Politik und Zeitgeschichte (B32-33/2001)
Wirtschaftskriminalität /Korruption: Wirtschaftskriminalität im Einigungsprozess
Kai Renken und Werner Jenke vom 26.05.2002
Internetadresse:
http://www.bpb.de/apuz/26098/wirtschaftskriminalitaet-im-einigungsprozess?p=all



Spätestens mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 begann nicht nur der rasche Prozess der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, sondern auch der rasante Verfall staatlicher Autorität in der DDR, der eine ganz besondere Art der Wirtschaftskriminalität ermöglichte, die als so genannte "Vereinigungskriminalität" ein wenig ruhmreiches Kapitel der deutschen Wiedervereinigung darstellt.

Bis Anfang des Jahres 1999 wurden nach Schätzung des Berliner Generalstaatsanwaltes a. D., Christoph Schaefgen, bundesweit nicht weniger als rund 62 000 Ermittlungsverfahren gegen ca. 100 000 Personen im Zusammenhang mit der Regierungs- und der Vereinigungskriminalität geführt. Berlin hatte hierbei die Hauptlast mit mehr als 21 000 Ermittlungsverfahren zu tragen. Auf vereinigungsbedingte Wirtschaftsstraftaten entfielen hiervon rund 4 000 Ermittlungsverfahren, von denen bis zum 31. August 1999 insgesamt 180 zur Anklage gebracht werden konnten, die zu 128 rechtskräftigen Verurteilungen führten .

Vereinigungskriminalität im weiteren Sinne hingegen umfasst zunächst diejenigen Wirtschaftsstraftaten, die ihrer Art nach bereits bekannt sind, aber durch die Umfeldbedingungen der wirtschaftlichen Umstrukturierung in den neuen Bundesländern eine ungeahnte Qualität und Quantität erreicht haben. Hierzu zählen Bilanzfälschung, Bilanzverschleierung und Subventionsbetrug - begünstigt durch die seitens der EU, des Bundes und der Länder großzügig verteilten Fördermittel -, vor allem aber auch der so genannte Gründungsschwindel, in dessen Rahmen bei der Unternehmensgründung zur Verfolgung unterschiedlichster Interessen gegenüber dem zuständigen Handelsregister falsche Angaben gemacht wurden.

Systemkriminalität: Als weitere Fallgruppe der vereinigungsbedingten Kriminalität sind die Straftaten im Zusammenhang mit der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit, des beim Ministerium für Außenhandel eingerichteten Bereiches "Kommerzielle Koordinierung" sowie der Auflösung und Umwandlung der SED und anderer Parteien und Massenorganisationen der DDR zu nennen.
Diese Kriminalität ist gekennzeichnet durch die besondere Nähe, das Sonderwissen und die zumeist unkontrollierte Verfügungsbefugnis der Täter über die beträchtlichen Vermögenswerte dieser Institutionen im In- und Ausland. Ebenso ist allen drei Vermögenskreisen, die mit dem Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 31. August 1990 im Wesentlichen dem Treuhand-, Finanz- oder Sondervermögen zugeordnet wurden, die konspirative und bewusst intransparente Handhabung der meist in Devisen bestehenden Vermögenswerte durch die zuständigen Stellen der DDR-Administration gemeinsam.

Ministerium für Staatssicherheit (MfS): Der Auslandsspionagedienst der DDR, die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), verfügte für seine "Operativvorgänge" über Devisenbestände, sog. "schwarze Kassen", über deren Höhe und Verwendung keine abschließende Sicherheit gewonnen werden konnte, da sich dieser Bereich mit Beginn des Jahres 1990 mit Billigung der DDR-Behörden selbst aufgelöst hatte.
Bereits im Herbst 1989 kursierten Dokumente, welche die Strategie insbesondere hinsichtlich der Verwendung des MfS-Vermögens nach dem Zusammenbruch der DDR festlegten. Danach sollte dieses Vermögen auf systemtreue Politkader verteilt werden, die auch nach vollzogenen politischen Veränderungen politische Standfestigkeit versprachen. Nach den Ermittlungen der ZERV wurden allein in Berlin Dutzende von Firmengründungen mit MfS-Geldern finanziert. Der Plan, ehemalige MfS-Mitarbeiter mit entsprechender finanzieller Ausstattung in der Privatwirtschaft anzusiedeln, ging in weiten Bereichen auf

Bereich Kommerzielle Koordinierung: Die von dem Bereich Kommerzielle Koordinierung ("KoKo") gehaltenen ca. 223 Unternehmen im In- und Ausland, welche die für die DDR dringend benötigten Devisen mit legalen wie illegalen Geschäften erwirtschafteten und zum Zeitpunkt der Wende über beträchtliche Vermögenswerte verfügten, waren ein besonderes Objekt der Begierde für Spekulanten und Betrüger.

Während sich die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Geschäftsaktivitäten des Bereiches KoKo bis zur Flucht seines früheren Leiters Schalck-Golodkowski am 3. Dezember 1989 vorwiegend mit den Verfahrenskomplexen Embargoverstöße, Waffenhandel und Eigenbereicherung von Funktionären zu befassen hatte, standen nach der Wende die vielfältigen kriminellen Vorgehensweisen, die zur Aneignung der nach Artikel 22 des Einigungsvertrages zum Finanzvermögen des Bundes gehörenden Firmenwerte führten, im Vordergrund. Gängigste Methoden waren hier insbesondere die nach § 331 Nr. 1 HGB strafbewehrten Bilanzmanipulationen, die potentielle Käufer im Zusammenwirken oder mit Billigung der Geschäftsführer durchführten und die eine Unterbewertung des Unternehmens oder seiner Anlagen zum Ziel hatten. Bei den anschließenden Verkäufen an befreundete Dritte oder an sich selbst im Rahmen des so genannten "management buy outs" stand dann der Kaufpreis in einem eklatanten Missverhältnis zu dem tatsächlichen Unternehmenswert - und er wurde darüber hinaus in den meisten Fällen noch aus den liquiden Mitteln des Unternehmens selbst bezahlt. Erschwerend sowohl für die Aufklärung als auch für die gerichtliche Beweislage kommt hinzu, dass kurz nach der Wende bis Anfang 1991 insbesondere die werthaltigen Auslandsunternehmen des Bereiches KoKo von der ehemaligen rechten Hand des früheren Leiters Schalck-Golodkowski, Frau Waltraud Lisowski, "abgewickelt" wurden. Verkäufe der genannten Art wurden hier initiiert, gefördert oder genehmigt. In diesen Zeitraum fallen die meisten Unterwertverkäufe, die weitgehend unkontrolliert von der Treuhandanstalt vonstatten gingen, die diesen komplexen und weitgehend konspirativ geführten Bereich erst ab Ende 1990, und dies nur sukzessive, übernahm.

Des Weiteren wurde durch Bilanzmanipulationen der Abfluss von Geldmitteln verschleiert, durch überhöhte Rechnungslegungen oder betrügerische Scheingeschäfte wurden den Unternehmen liquide Mittel entzogen. Gerade bei der zuletzt genannten Variante, deren Schadensausmaß nach heutigen vorsichtigen Schätzungen im dreistelligen Millionenbereich liegt, entwickelte sich eine bedrohliche Allianz westeuropäischer Embargohändler, hoher MfS-Offiziere und Mitarbeiter von KoKo-Unternehmen, die nur die Beiseiteschaffung von Geldmitteln zum Ziel hatte.

In diesem Zusammenhang ist auch die Unterschlagung von ganzen Unternehmen oder Unternehmensteilen zu nennen. Hier ging es vor allem um Unternehmen, die von dritten Personen oder Westfirmen treuhänderisch für den Bereich KoKo gehalten wurden und deren Treuhänderschaft nach der Wende nicht der Treuhandanstalt offenbart wurde.

Zielsetzungen und Vorgehen

Mit Gerichtsverfahren war kein Staat mehr zu machen und so wurden die Rudimente dieser Angelegenheit der zuständigen Polizeibehörde übergeben, mit der Maßgabe, die vermuteten, versteckten Gelder aufzutreiben und in den bundesdeutschen Staatshaushalt zu überführen.
Die nun zuständige Polizeibehörde sieht keine Möglichkeiten mehr für Beweiserbringungen und Anklagen. Als erste Folgemaßnahme geschah daraufhin eine Festsetzung von Beteiligten und wichtigen Zeugen.
Es wird nun (Stand Juli 2012) nicht mehr damit gerechnet, dass für Polizei und Justiz neue oder weitere gerichtsverwertbare Erkenntnisse zu erlangen sind. Dagegen spricht auch der Zeitablauf, die Zahl der wichtigen Zeugen verringert sich und die von der KoKo zerstörten Geschäftsunterlagen sind durch nichts zu ersetzen.

Im weiteren Vorgehen wird nun quasi die „Beweislast“ umgedreht. Die zuständige Polizeibehörde handelt dann nach einem Maßnahmenkatalog, der eine stetige, stufenweise Verschlechterung der sozialen Umgebungsbedingungen für Betroffene mit sich bringt.
In der Regel enden Betroffene in Arbeitslosigkeit, Haftstrafen und Obdachlosigkeit. Danach wird Verschwinden angetragen, einen Wechsel in ein anderes, außereuropäisches Land.

Die Ausgangslage stellt sich nun so dar, dass man von Beteiligten und Zeugen nichts mehr erwartet. Sie könnten zwar den Ablauf durch Kooperation unterbrechen, aber ernstlich wird damit nicht gerechnet. Die meisten bisherigen Erfahrungen sprechen ohnehin dagegen.
Das langsame und stufenweise Vorgehen enthält aber eine wichtige Regel: Betroffene können durch Kooperation den Ablauf unterbrechen oder beenden, ansonsten wird einfach konsequent fortgesetzt.

Wichtig ist der Hinweis, dass alle wichtigen Beteiligten Zeugen von MfS und KoKo, soweit sie bisher sich jeglicher Kooperation entzogen, im Rahmen von „Gomorrah“ dem Maßnahmenkatalog unterworfen werden. „Gomorrah“ ist also nicht auf die Steiermark begrenzt. Man will die Akten schließen und im Bereich „KoKo“ sind allem Anschein nach keine weiteren Sicherstellungen mehr zu erwarten.

Im Maßnahmenkatalog wird in einem ersten Schritt stets damit begonnen, dass zunächst die Instrumente „Verhandeln“, „Verständigung“ und „Einigung“ zur Anwendung kommen.
Begründung:
• Es zeigte sich zum Beispiel in Augsburg, dort kommen viele politische Fälle vor Gericht, dass man Betroffenen ihre Existenz nehmen kann und sie kooperieren trotzdem nicht, es ist dies sogar der Regelfall.
• Dagegen stehen die erweiterten Möglichkeiten der linken, verdeckt operierenden Seite, Vorgänge dieser Art zu einem Ende zu bringen. Es steht eine Anzahl von Maßnahmen zur Verfügung, die über Polizeigesetz und Justizvorschriften hinausreichen, dabei aber nicht gegen das Strafgesetzbuch zu verstoßen.

In diesem ersten Schritt sind zwei Dinge abzuklären.
• Was verlangen Betroffene als Preis für eine Kooperation?
• Auf was kann man sich einigen, wenn überhaupt Aussicht auf eine Einigung besteht?

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Profil
Abmelden
Weblog abonnieren